Die Gewässerperle im Meiental
Die Meienreuss ist ein eindrückliches Beispiel für einen wilden Fluss. Sie ist der grösste Seitenbach der Reuss und bis oberhalb Wassen noch ungenutzt und intakt. Mit der grossen Kraft des Wassers werden hier ständig neue Lebensräume geformt. Leider sind sie durch die mögliche Konzessionsvergabe zur Wasserkraftnutzung akut bedroht.
Die Meienreuss entspringt am Tschingelfirn, nahe vom Sustenhorn und der Grenze zum Kanton Bern. Auf ihrem Weg talabwärts durch das Meiental passiert sie schöne Flachmoore und Auengebiete, beispielsweise beim Zusammenfluss mit dem Gorezmettlenbach, aber auch faszinierende Schluchten. In Wassen mündet sie schliesslich in die Reuss. Als alpiner Wildbach rauscht die Meienreuss dynamisch über ihr von natürlichen Abstürzen geprägtes Bett. Morphologisch ist sie nur über kurze Abschnitte durch wenige künstliche Abstürze beeinträchtigt. Die oberen Seitenbäche sind wertvolle Auengebiete. Manch andere Seitenbäche hingegen sind stärker verbaut. Die Meienreuss ist eines der letzten grösseren, zusammenhängenden Einzugsgebiete im Kanton Uri, welches kaum für die Wasserkraft genutzt wird. Einzig im Unterlauf, oberhalb von Wassen, wird dem Bach Wasser zur Energiegewinnung entnommen. Die ständig ändernden Lebensräume der Meienreuss sind besonders wertvoll und Heimat vieler bedrohter Insektenarten, wie die Köcherfliege, Steinfliege und die Eintagesfliege.
Wussten Sie, dass...
… dass auch diese beeindruckende Vielfalt der Lebensräume im Meiental durch neue Kraftwerksprojekte bedroht ist? Durch Wasserentnahmen im Oberlauf oder an den Seitenbächen würde so auch einer der letzten noch wild sprudelnden Bäche in Uri zur eintönigen Restwasserstrecke verkommen. Und es gibt eine sinnvolle Alternative (siehe unten) dazu. Der WWF spricht sich für diese Alternative aus, die Einnahmen verspricht aber keinen intakten Fluss zerstört.
Daher empfiehlt der WWF Uri dem Landrat:
Empfehlung an den Landrat...
Unsere Empfehlung zum Antrag des Regierungsrates:
► Folgen Sie im Antrag 2 nicht der Empfehlung des Regierungsrats und nehmen sie die Umsetzung des VAEW an.
► Die Konzessionsvergabe (Antrag 4) ist abzulehnen, damit das VAEW umgesetzt werden kann. Und daher sind auch die vom Regierungsrat vorgeschlagenen Beschlüsse in der Schlussabstimmung abzulehnen.
Damit wird der Weg frei für die sinnvolle Alternative "Meiental als VAEW-Gebiet".

Weshalb? Dafür gibt es mehrere sinnvolle Gründe:
Das Kraftwerk liefert 90%-Sommerstrom – Weniger Einnahmen für Private PV-Besitzende?
Mit der geplanten Wasserfassung sollen 31'100'000 kWh Energie pro Jahr produziert werden. Gemäss der Gesuchstellerin können damit 6'907 Haushalte mit Strom versorgt werden – theoretisch. Denn der Grossteil der Stromproduktion – gemäss Berechnungen der Einsprechenden 89 % – würde im Sommer anfallen. Einer Zeit, in der Strom nicht besonders gefragt ist. In den sechs Monaten von November bis April, wenn der Strom knapp ist, würde das Kraftwerk mit bloss 11 % der Jahresleistung sehr spärlich Strom produzieren. Es handelt sich somit um ein typisches Schmelzwasserkraftwerk, welches weder für die Energiewende benötigten Speicherstrom, noch Winterstrom produziert. Die saisonale Produktionsverteilung ist bei Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz deutlich höher und günstiger. Das Kraftwerk Meienreuss würde somit zu Jahreszeiten produzieren, wo schon heute und zukünftig verstärkt Negativpreise zu erwarten sind. Wie ein solches Kraftwerk nach Ablauf der KEV-Subventionen am Markt bestehen soll, ist äusserst fraglich. Es muss angenommen werden, dass hier eine spätere Bauruine, die ohne andere Regelung gar auf Kosten der öffentlichen Hand abgebaut werden müsste (Art. 69 WRG), subventioniert wird.
Der vom Kraftwerk mehrheitlich im Sommer produzierte Strom konkurriert dann mit dem Strom, der von Privaten mit ihren PV-Anlagen ins Netz eingespiesen wird, weil die Netzkapazität und der Strombedarf nicht unendlich sind. Ob dann da die Leistung des KW Meienreuss gedrosselt wird oder die Einnahmen durch die Rückvergütung für Private geringer ausfallen wird, wird die Zukunft zeigen...
Auch die Wirtschaftlichkeit und Wertschöpfung für die Bevölkerung ist in Frage gestellt:
Als Argument für das Projekt stehen die wirtschaftlichen Interessen des Kantons Uri. Diese liegen primär in der Einnahme von Wasserzins und der durch das Projekt ausgelösten wirtschaftlichen Wertschöpfung. Den für den Kanton Uri zu erwartenden Wasserzins veranschlagt der Regierungsrat auf CHF 522'000 pro Jahr und suggeriert, dass dem Kanton Uri dieser Betrag die kommenden 80 Jahre zuflösse. Doch die herangezogene Hypothese für die Berechnung der Wasserzinseinnahmen, nämlich ein Wasserzinses von CHF 110/kWbl, ist in bereits heute absehbarer Weise riskant und falsch. Auf die Wasserzinseinnahmen ist für den Kanton Uri im heutigen unsicheren politischen Umfeld keinerlei Verlass. Mit dem Rückgang der Gletscher im Gebiet ist so oder so unklar, wie viel und wann das Kraftwerk zukünftig Strom produziert.
Die Umweltverbände zeigen in "Sichere Schweizer Energieversorgung 2035" auf, wie der nachhaltige Strommix aussieht und wie die Energiewende gelingen kann, ohne dass die letzten natürlichen Bäche verstromt werden müssen.
Das Meiental ist ökologisch und landschaftlich zu wertvoll
Grosse Diversität macht das Tal schutzwürdig!








Die grossen Höhenunterschiede im Meiental und ein mehrheitlich silikatischer, aber gebietsweise auch kalkreicher geologischer Untergrund sorgen für eine grosse Lebensraumvielfalt zwischen der montanen und nivalen Stufe. Am Talausgang, an den südexponierten Hängen auf Granit, wächst in der montanen Stufe wärmeliebender Besenheide-Föhrenwald. Im Innern des Tals bestehen die Schutzwälder am Südhang im Wesentlichen aus subalpinem Heidelbeer-Fichtenwald, der an der Waldgrenze in einen Lärchenwald mit einzelnen Arven übergeht. In Muldenlagen kommen kleinere Flachmoore vor. Auf der nach Norden exponierten Südflanke des Tals sind die von Lawinen beeinflussten Hänge überwiegend mit Grünerlen und Legföhren bestockt. Daneben wachsen subalpine Fichtenwälder. Über dem Wald folgen in verschiedenen Ausprägungen Zwergstrauchheiden mit Zwergwacholder, rostblättriger Alpenrose, Heidel- und Preiselbeere, Besenheide und auch Alpen-Azalee. Die Heiden, welche sich auf ehemaligen Wildheuwiesen zunehmend ausbreiten, verzahnen sich mit artenreichen Gebirgs-Magerrasen (Krummseggenrasen, Borstgrasrasen, Halbtrockenrasen), die auch an den offenen Hängen zwischen den Wäldern abwechselnd mit Bergfettwiesen oder -weiden (Milchkrautweide) vorkommen. Etliche Flächen figurieren im TWW-Inventar. Wo der Schnee längere Zeit liegen bleibt, kommen Kalkarme Schneetälchen vor, die meist sehr feucht sind und durch Soldanellen und Schneetälchen-Frauenmantel charakterisiert werden.
Die Mähwiesen im Talgrund waren früher typische Goldhaferwiesen. Heute überwiegen die eine intensivere Bewirtschaftung ertragenden, eingesäten Raygräser und Schwingel. Das Meiental beherbergt auch kleinere Flachmoore auf undurchlässigen Böden in Muldenlagen und entlang der Bachläufe. Sie beherbergen zahlreiche Seggenarten, darunter auch die Alpen Schlammsegge (Carex paupercula). Als Seltenheit kommen Sonnentauarten, z.B. der Langblättrige Sonnentau (Drosera anglica) vor. In feuchteren Tälchen, und Lawinenzügen, insbesondere auf der schattigen Südseite, wachsen Hochstaudenfluren, die auch unterhalb der Waldgrenze das Aufkommen von Bäumen verhindern.
Die Gebirgsbäche Goretzmettlenbach und Meienreuss lagern bei Hochwasserereignissen immer wieder Material um, so dass die Vegetationsentwicklung im Geröll der Gerinnebetten nicht über das Pionierstadium hinauskommt. Im Hinterfeld wächst entlang der Meienreuss als grosse Seltenheit Hegetschweilers Weide (Salix x hegetschweileri). Die Aue des Gorezmettlenbachs ist gemäss Auenverordnung eine Aue von nationaler Bedeutung, ebenso das durch Toteis, Moränenschutt und Schwemmböden geprägte, rezente Gletschervorfeld des Kartigelfirns unterhalb des Fleckistocks. Fleischers Weidenröschen (Epilobium fleischeri) verleiht den Silikatschuttfluren zur Blütezeit einen leuchtend roten Aspekt. Eine Besonderheit im aus Gneisen und Graniten bestehenden Meiental sind die im Blühzustand bunten Kalkschuttfluren unterhalb des Chli Griessenhorns und im Chalchtal, auf denen die Alpen-Akelei (Aquilegia alpina) zahlreich vorkommt. Auch an den Felsen ist eine vielfältige Flora vorhanden. Am Grat zwischen Sewenhütte und Bächenstock und auch oberhalb der Sustlihütte wächst das Schmalkronblättrige Fingerkraut (Potentilla grammopetala) an den einzigen bekannten Fundstellen nördlich des Alpenkamms.
Im Meiental kommen zahlreiche Rote-Liste-Arten und schützenswerte Lebensräume nach NHV vor (siehe Anhang), darunter auch einige stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten wie der Alpine Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydrias eurinia debilis), die Kreuzotter (Vipera berus berus), der Flussuferläufer (Actitis hypoleucos), der Luchs (Lynx lynx) und Hegetschweilers Weide (Salix x hegetschweileri).
Das Meiental ist wegen der authentisch erhaltenen Weiler-Siedlungen, der in den letzten Jahrzehnten geringen baulichen Veränderungen, der weitgehend extensiven landwirtschaftlichen Nutzung, der spärlichen Erschliessung der Hanglagen, der bis zum Talausgang frei fliessenden Bäche, der weitgehend ungestört ablaufenden, vielfältigenmorphodynamischen Prozesse und der insgesamt aus diesen Gründen eindrücklichen Lebensraumvielfalt ein alpines Tal, in welchem das kulturlandschaftliche Erbe und die natürliche Vielfalt in einer besonderen und seltenen Qualität aufeinandertreffen.
Das Meiental weist aufgrund des Vorkommens zahlreicher Rote-Listen-Arten und schützenswerter Lebensräume nach NHV eine hohe Schutzwürdigkeit auf.Versteht man die im BLN-Inventar figurierenden, vergleichbaren Landschaften als Referenz für die Beurteilung der Bedeutung der Landschaft des Meientals, dann ist dem Meiental ebenso eine nationale Bedeutung zuzuerkennen wie dem Maderanertal, der Valle Verzasca, dem Val Bavona oder dem Val Piumogna mit der Campo Tencia-Gruppe.
Neue PV-Anlagen: In nur drei Tagen, die gleiche Menge zusätzlichen Strom
Im Jahr 2022 bauten wir in der Schweiz 1083 MW mit Photovoltaik zu («Statistik Sonnenenergie» BFE). Die installierte Leistung des KW Meienreuss beträgt 10.1 MW. Somit wird die Leistung des KW Meienreuss innerhalb von 3,3 Tagen mit PV-Anlagen gebaut. Tendenz steigend, will heissen: In 3 Tagen werden PV-Anlagen im Umfang des KW Meiental erstellt.
Die neu installierte Photovoltaik-Leistung stieg gegenüber 2021 um 58 % auf den neuen Rekordwert von 1083 Megawatt (MW), womit das Wachstum der beiden Vorjahre (rund 45 %) nochmals deutlich übertroffen wurde. Pro Kopf entspricht der Zubau im letzten Jahr etwa einer Fläche von 0,6 Quadratmetern. Die gesamte installierte Leistung lag zum Jahresende bei 4730 MW. Mit dieser Entwicklung der massiv zunehmenden PV-Anlagen wird es künftig deutlich mehr Strom geben im Sommer, genau dann, wenn das KW Meienreuss hauptsächlich produzieren würde...
PV-Potenzial allein auf Dächern fast 10mal höher
Darüber hinaus liegt allein im Kanton Uri ein rund 10mal höheres Potenzial brach, für das keine wertvolle Natur geopfert werden müsste: Würde das Potenzial der Urner Hausdächer genutzt, könnte mit PV-Anlagen fast 10mal so viel Strom erzeugt werden wie mit dem KW Meiental (300 GWh statt 31.1 GWh Jahresleistung) ohne Naturwerte zu zerstören und dabei sind andere Infrastrukturen - wie Fassaden, Parkplätze, Lärmschutzwände etc - noch nicht mal mitgerechnet.
Der Landrat hat die Lösung in der Hand: Das Meiental als VAEW-Gebiet!
Der Landschaftsrappen (Verordnung über die Abgeltung von Einbussen bei der Wasserkraftnutzung, VAEW) ist für die Meienreuss anwendbar.
In Kürze
1. Das Meiental mit seiner Meienreuss ist als Landschaft von nationaler Bedeutung schutzwürdig. Der Kanton Uri könnte schon seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten, von Abgeltungen des Bundes für den Verzicht auf die Wasserkraftnutzung («VAEW Abgeltungen») und globalen Finanzhilfen für BLN-Objekte profitieren. Er hat auf diese namhaften Einnahmen mit Ausblick auf eine mögliche Nutzung der Wasserkraft bis heute verzichtet.
2. Der Kanton Uri steht mit dem Konzessionsgesuch der CKW derzeit vor der Entscheidung, das Tal tatsächlich der Wasserkraftnutzung preiszugeben. Der Gesuchsteller möchte den Regierungsrat mit dem Konkurrenzprojekt «Meiental als VAEW-Gebiet» darlegen, dass eine echte Alternative zur Wasserkraftnutzung besteht. Er ersucht ihn, diese Alternative eingehend zu prüfen und gegebenenfalls entsprechende Schritte einzuleiten.
3. Um dem Regierungsrat die Arbeit zu erleichtern,
hat der WWF Uri, Brüggligasse 9, 6004 Luzern ein Gutachten zur nationalen Bedeutung des Meientals in Auftrag gegeben, welches dem Regierungsrat überreicht wurde;
zeigt der WWF dem Regierungsrat im Einzelnen auf,
- was die Voraussetzungen für eine VAEW-Abgeltung sind,
- in welcher Höhe VAEW-Abgeltungen zu erwarten sind,
- an wen, von wem, wann, mit welchem Inhalt und in welcher Form ein Gesuch um VAEW-Abgeltung gestellt werden muss,
- was der Inhalt und die Rechtswirkungen eines VAEW-Vertrags sind, und
- unter welchen Bedingungen dieser geändert oder aufgehoben werden kann.
4. Insgesamt gilt: Sollte der Kanton Uri zur Einschätzung kommen, dass die Voraussetzungen für die Nutzung der Wasserkraft an der Meienreuss vorliegen, ebnet ihm dies gleichermassen den Weg zu einer VAEW-Abgeltung im Umfang von rund CHF 339'212/Jahr.
5. Erneuerbare Energien sind selbstverständlich im Sinne des WWF. Doch nur noch wenige Flüsse und Bäche sind natürlich und können frei fliessen. Diese letzten unberührten Gewässer, wie es die Meienreuss über weite Strecken eines ist, gilt es zu schützen, damit nicht noch mehr wertvolle Lebensräume für Natur und Mensch verloren gehen. Der Gesuchsteller setzt sich ein für die Nutzung verbleibender grosser und umweltverträglich erschliessbarer Wasserpotentiale, die den Anteil von Winterstrom erhöhen (z.B. Erhöhung Göscheneralpstaudamm/UR, Realisierung TriftStausee/BE), sowie anderer erneuerbarer Energieträger mit hohem Potenzial, namentlich in bereits überbauten Gebieten.